Im Gesundheitswesen nehmen Expertenstandards eine Schlüsselrolle ein, um eine hochwertige Patient:innenversorgung sicherzustellen. In der Pflege sind diese Standards von besonderer Bedeutung, da sie direkt die Qualität der Betreuung und die Sicherheit der Patient:innen beeinflussen. Dieser Artikel erläutert, was Expertenstandards in der Pflege sind, wie sie entwickelt werden und warum sie unerlässlich sind.

In diesem Video haben wir alle wesentlichen Aspekte der Expertenstandards für dich zusammengefasst

Was sind Expertenstandards in der Pflege?

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Expertenstandards in der Pflege sind detaillierte, auf wissenschaftlicher Evidenz basierende abgestimmte Leistungsniveaus, die definieren, was unter qualitativ hochwertiger Pflege zu verstehen ist. Sie legen spezifische Kriterien für die Pflegepraxis fest, die auf dem besten verfügbaren Wissen beruhen.

Anfänge und Gründung des DNQP

Die Geschichte der Expertenstandards sowie des Deutschen Netzwerks für Pflegeentwicklung (DNQP) ist eng mit der Entwicklung der Pflegewissenschaft in Deutschland verbunden. Die Weltgesundheitsorganisation hatte bereits zu Beginn der 1990er Jahre auf die Bedeutung von Qualitätsstandards in der Pflege hingewiesen, was in Deutschland zur Gründung des DNQP führte. Ziel war es, ein einheitliches Qualitätsniveau in der Pflege zu etablieren und kontinuierlich zu verbessern.

Entwicklung der Expertenstandards

Zu Beginn lag der Fokus zunächst auf dem Austausch guter Praxis. Bald erkannte man jedoch die Notwendigkeit, systematisch Expertenstandards zu entwickeln, um die Pflegequalität nachhaltig zu sichern und zu verbessern.

ÜG019 - Expertenstandards in der Pflege (Prof. Dr. Dr. A. Büscher) - Übergabe
Expertenstandards sind ein wichtiges Instrument zur Förderung der Pflegequalität. In der neuen Folge sprechen wir mit Prof. Dr. Dr. Büscher.

Der Prozess der Entwicklung von Expertenstandards im Detail

Die Entwicklung von Expertenstandards in der Pflege ist ein umfassender und vielschichtiger Prozess, der das Ziel verfolgt, evidenzbasierte und praxisorientierte Instrumente zu schaffen. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Standards nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch in der Pflegepraxis umsetzbar sind. Im Folgenden wird der Entwicklungsprozess detailliert beschrieben:

1. Themenfindung

Der erste Schritt besteht darin, relevante Themenfelder zu identifizieren, die einen Bedarf aufweisen. Diese Identifikation erfolgt durch die Analyse aktueller Herausforderungen in der Pflege, die Bewertung von Risikobereichen, die Berücksichtigung gesellschaftlicher Entwicklungen und dem Einbezug von Feedback aus der Pflegepraxis.

2. Systematische Literaturrecherche und Evidenzbewertung

Nach der Festlegung eines Themas wird eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um alle relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu sammeln. Die gesammelten Informationen werden anschließend kritisch bewertet, um die Qualität und Relevanz der Evidenz sicherzustellen. Dieser Schritt ist entscheidend, um eine solide Wissensbasis für die Entwicklung des Standards zu schaffen.

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Evidenz bezeichnet Beweise oder Daten, die die Wahrheit einer Behauptung, Hypothese oder Theorie stützen oder belegen.

3. Bildung der Expert:innengruppe und Entwicklung des Entwurfs

Auf Basis der gesammelten Evidenz wird eine Expert:innengruppe gebildet, die sich aus Fachexpert:innen verschiedener Disziplinen, Praktiker:innen aus dem Pflegebereich und gegebenenfalls Patient:innenvertreter:innen zusammensetzt. Diese Gruppe arbeitet gemeinsam an der Erstellung eines Entwurfs für den Expertenstandard. Dabei werden die spezifischen Anforderungen an die Pflegepraxis definiert, einschließlich Struktur-, Prozess- und Ergebniskriterien. Die Expert:innengruppe achtet darauf, dass der Standard praktisch umsetzbar ist und den Bedürfnissen der Zielgruppe entspricht.

4. Konsentierungsprozess

Der entwickelte Entwurf wird einem breiten Konsentierungsprozess unterzogen, in dem Fachleute aus verschiedenen Bereichen der Pflege und weitere Stakeholder eingeladen werden und Feedback zum Entwurf zu geben. Dies findet in Form von Konsensuskonferenzen statt. Ziel ist es, einen breiten fachlichen Konsens zu erreichen und den Entwurf entsprechend anzupassen. Dieser Schritt gewährleistet, dass der Standard eine breite Akzeptanz findet und die Vielfalt der Pflegepraxis widerspiegelt.

5. Implementierung, Evaluation und Aktualisierung

Nach der Konsentierung wird der Expertenstandard in ausgewählten Pflegeeinrichtungen und/oder Krankenhäusern implementiert, um seine Praxistauglichkeit und Effektivität zu überprüfen. Die Erfahrungen aus der Implementierungsphase werden systematisch gesammelt und ausgewertet. Auf Basis dieser Evaluation können Anpassungen vorgenommen werden, um den Standard weiter zu optimieren. Expertenstandards werden regelmäßig überprüft und aktualisiert, um sie an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Veränderungen in der Pflegepraxis anzupassen.

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Implementierung bedeutet, eine Idee, einen Plan oder eine Lösung in die Tat umzusetzen, sodass sie praktisch genutzt oder ausgeführt werden kann. Es geht darum, aus einer Theorie oder einem Konzept eine funktionierende Realität zu machen.
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Evaluation bedeutet die systematische Untersuchung und Bewertung eines Prozesses, Projekts oder Programms, um dessen Wirksamkeit, Qualität oder Erfüllung von Zielen zu beurteilen und zu verstehen. Es geht darum, Stärken und Schwächen zu identifizieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Die Bedeutung von Expertenstandards

Die Bedeutung von Expertenstandards in der Pflege lässt sich anhand mehrerer Aspekte verdeutlichen:

  • Evidenzbasierte Praxis: Sie gewährleisten, dass Pflegepraktiken auf dem aktuellsten Stand der Forschung basieren und fördern so eine qualitativ hochwertige Patient:innenversorgung.
  • Einheitliche Qualität: Durch die Vorgabe spezifischer Standards wird eine gleichbleibend hohe Qualität der Pflege in verschiedenen Einrichtungen sichergestellt.
  • Rechtlicher Rahmen: Sie bieten rechtliche Sicherheit sowohl für Pflegefachkräfte als auch für Patient:innen, indem sie klare Qualitätsanforderungen definieren.
  • Berufspolitische Bedeutung: Die Standards stärken die Professionalisierung der Pflege und tragen zur Anerkennung des Berufsstands bei.
  • Schutz der Patient:innen: Sie tragen wesentlich zur Sicherheit und zum Wohl der Patient:innen bei, indem sie Risiken in der Pflegepraxis minimieren.
  • Ausbildungsgrundlage: Expertenstandards dienen als Lehrmaterial in der Aus- und Weiterbildung von Pflegefachkräften.
  • Innovationsantrieb: Sie fördern die kontinuierliche Weiterentwicklung der Pflegepraxis durch die regelmäßige Integration neuer Forschungsergebnisse.

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Fazit

Expertenstandards sind ein unverzichtbares Werkzeug, um die Qualität und Sicherheit in der Pflege zu gewährleisten. Durch ihren evidenzbasierten, systematischen Entwicklungsprozess tragen sie dazu bei, dass Pflegefachkräfte ihr Handeln stets auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ausrichten können. Die kontinuierliche Beteiligung der professionell Pflegenden an ihrer Entwicklung und Überprüfung stellt sicher, dass die Expertenstandards aktuell bleiben und die Praxis effektiv unterstützen. Sie sind somit ein fundamentaler Bestandteil einer qualitätsorientierten Pflegekultur, die das Wohl der Patient:innen in den Mittelpunkt stellt.

DNQP
Methodisches Vorgehen